In Zeiten plötzlichen Wandels, wenn uns der Boden unter den Füssen weggezogen wird, tendieren die meisten von uns dazu, in perfektionistisches Denken zu verfallen. Wir haben es 100prozentig vermasselt,also müssen wir schlecht sein, sehr schlecht. Und alles andere als vollkommen. Atme ein paarmal loslassend durch und lies diese Passage aus einem Brief C. G. Jungs: "Wenn du jetzt niedergeschlagen bist und über beide Ohren im Morast steckst, musst du dir sagen, dass du zu hoch geflogen warst und dass eine Dosis unverdünnter Höllenschwärze angezeigt war. Die Klemme, in der du steckst, ist gewiss nichts, was du selbst verursacht haben könntest. Dies zeigt, dass jemand "da draussen" dich mit fürsorglichen Gedanken umgibt und Dir das nötige Unrecht antut." Alles klar?
Donnerstag, 29. September 2016
Gedanken am 29. September (Herbstmond)
Hawthornes Chemiker von gestern war von einem Archetypus der Vollkommenheit besessen. Da er sich nicht zu seinem eigenen Bedürfnis nach Vollkommenheit bekennen konnte, proj1zierte er es auf seine Frau - mit katastrophalen Folgen. Die Vollkommenheit ist eine hinterhältige kleine Teufelin, aber wenn wir ihr die Stirn bieten, wird sie in uns den Durst nach wahrer Ganzheit entfachen. Und was ist Ganzheit?
+ Die Würde, mit der wir unbeirrt weitermachen, indem wir unsere Irrtümer eingestehen und uns bemühen herauszufinden, wohin sie uns zu führen versucht.
+ Die Gelassenheit, mit der wir unseren Schatten annehmen - nicht selbstgefällig, sondern in demütigen Bestreben, unseren bösen Zwilling bewusst einsetzen, so dass wir die Kämpfe umgehen können, die er anderenfalls vom Zaun brechen würde.
+ Die Würde, mit der wir unbeirrt weitermachen, indem wir unsere Irrtümer eingestehen und uns bemühen herauszufinden, wohin sie uns zu führen versucht.
+ Die Gelassenheit, mit der wir unseren Schatten annehmen - nicht selbstgefällig, sondern in demütigen Bestreben, unseren bösen Zwilling bewusst einsetzen, so dass wir die Kämpfe umgehen können, die er anderenfalls vom Zaun brechen würde.
Gedanken am 28. September (Herbstmond)
Nathaniel Hawthorne griff tief in die Welt der Archetypen und förderte eine herrliche Erzählung zutage: "Das Muttermal". In dieser Geschichte heiratet ein junger Chemiker eine Frau, die so unglaublich schön ist, dass die Leute auf der Strasse stehenbleiben, um sie anzustaunen. Sie kommt der Vollkommenheit so nahe, wie es für einen Menschen überhaupt nur möglich ist. Die Schönheit ihres Gesichtes ist von einem einzigen Makel beeinträchtigt: ein winziges Muttermal, das die Form einer scharlachroten Hand hat. Der Mann ist zunehmend von der Idee besessen, ein Mittel zu finden, das das Muttermal beseitigen und die Schönheit seiner Frau erst wirklich vollkommen machen wird. Nach unzählichen Experimenten findet er endlich eine Formel für das ersehnte Mittel. Doch gleichzeitig mit dem Muttermal schwindet auch die Lebenskraft seiner schönen jungen Frau, und er bleibt mit einer vollkommenen Leiche zurück.
Gedanken am 27. September (Herbstmond)
Wie sollen wir mit unserem Schatten nun umgehen? Kurz gesagt, gilt es, sich seiner bewusst zu werden, sich zu ihm zu bekennen, sich seine Projektionen einzugestehen und zu lernen, mit ihm zu leben. Verschwinden wird er nie, denn wir brauchen ihn. Wir leben in einer Welt der Gegensätze. Ohne das Böse gibt es kein Gutes. Ohne deinen Schatten würdest du dich nicht so sehr nach dem Licht sehnen. Ohne Habgier gäbe es keine Hinwendung zur Grosszügigkeit. Irgendwann, wenn wir aus diesem Traum von "wir und die anderen", oben und unten, schwarz und weiss, männlich und weiblich aufgewacht sind, werden wir unseren Schatten nicht mehr benötigen, weil wir in der Ganzheit leben werden. Aber bis es soweit ist, hat der Schatten durchaus seine Daseinsberechtigung. Gib also dem Teufel, was des Teufels ist, und wirf jede Illusion hinaus, jemals vollkommen sein zu können - zumindest solange du auf der Erde bis.
Sonntag, 25. September 2016
Gedanken am 26. September (Herbstmond)
Wie schon erwähnt ist der September ein Monat der Wende. Innere und äussere Ernte sind abgeschlossen, und die Scheune des Unbewussten ist sauber ausgekehrt. Durch die Traumwelt erreichen wir die Pforte des Mysteriums, indem wir in die furchtbare Finsternis hinabsteigen, in der unsere Seelen wieder erneuert werden.
Gedanken am 25. September (Herbstmond)
Wir werden dadurch ganz und heil, dass wir das Unsichtbare sichtbar machen und die Dunkelheit ans Licht führen.Seit frühester Kindheit sind wir alle dazu erzogen worden, stets unser "Bestes", unsere vorteilhafteste Seite nach aussen zu kehren. Man hat uns gescholten und gedemütigt, wenn unser Verhalten etwas zu wünschen überliess, wenn wir uns als habgierig, anmassend oder sonstwie "böse" zeigten. Alles "Nichtgute" wurde in den Keller des persönlichen Unbewussten abgeschoben. Jung nannte das den Schatten. Du kannst noch so hohe Schutzmauern errichten - es bleibt alles dort, eingesperrt mit allem, was du unterdrückst, hasst oder verleugnest. Der Schatten ist dein böser Zwilling.
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Gedanken am 24. September. (Herbstmond)
Gleichzeitig mit der Drehung des kosmischen Rades von Süden nach Westen, vom Sommer zum Herbst, reicht der Erzengel Gabriel die Fackel an Raphael weiter. Auf hebräisch bedeutet Raphael "Heiler Gottes". Mit der geflügelten Schlange Caduceus (des Heroldsstabes des Hermes) in Verbindung stehend, ist Raphael zugleich auch der Schutzherr der Wissenschaften und allgemein des Wissens. Als Heiler hat Raphael die Macht, uns von der Illusionen zu befreien, die uns von Gott trennen und von der Verwirklichung unserer tiefsten Seelenkräfte abhalten. Raphael ist die Wirksamkeit oder Macht, die das Unbewusste zu Bewusstsein, die Finsternis ans Licht bringt.
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Donnerstag, 22. September 2016
Gedanken am 23. September (Herbstmond)
Seit dem Durchgang durch das Äquinoktium sind die Pforten der Unterwelt geöffnet, und der grosse "kosmische Kellerputz" kann beginnen. Im Judentum fallen die hohen Feiertage Rosch Ha- Schana (Neujahr) und Jom Kippur (Versöhnungsfest) ungefähr in diese Zeit. Während der zehntägigen Periode, die zwischen diesen zwei Festen liegt, sind, wie man glaubt, die Pforten des Himmels geöffnet. Diese Tage tiefer, unerschrockener Selbsterforschung sind die heiligste Zeit des jüdischen Jahres. Unerledigte Angelegenheiten werden ins Bewusstsein gehoben und abgeschlossen. Man gesteht alles Unrecht ein, das man sich selbst, anderen und Gott angetan hat, leistet jede erforderliche Wiedergutmachung und vergibt, wenn nötig, selbst erfahrenes Unrecht. Das Gewissen wird entlastet, und die geläuterte Seele ist frei, sich durch das Himmelstor emporzuschwingen.
Mittwoch, 21. September 2016
Gedanken am 22. September (Herbstmond)
Heute vollendet das kosmische Rad eine weitere Vierteldrehung und öffnet sich ganz nach dem Westen. Die Stunden des Lichts und die Stunden der Dunkelheit halten sich an diesem ersten Tag des Herbstes vollkommen die Waage. Morgen werden wir das westliche Tor durchschritten haben und unseren Abstieg in die Dunkelheit der Unterwelt beginnen. Das Licht verblasst, und der Ruf der Träume, Archetypen und synchronistischen Ereignisse wird vernehmlicher. Wir haben uns darauf vorbereitet, auf ihre Botschaften zu lauschen, so dass die Weisheit unseres Unbewussten in der zunehmenden Dunkelheit heranreifen möge. Wir können uns darauf freuen, in sechs Monaten, am Frühlingsäquinoktium, verwandelt aus der Unterwelt wieder aufzutauchen.
Gedanken am 21. September (Herbstmond)
Klarträume bieten vielfältige Vorteile. Erstens kannst du in diesem Zustand erhöhter Bewusstheit Ängste überwinden und grösseres Selbstvertrauen entwickeln. Dieser Gewinn beschränkt sich nicht auf den Traumzustand selbst, sondern greift auch auf das Alltagsleben über. Tatsächlich fühlt sich der Klartraumzustand viel "wirklicher" als das wirkliche Leben an. Was ich "dort" bewältigt habe, hat sich bislang immer ohne Schwierigkeiten "hierher" übertragen lassen. Zweitens ist es äusserst unterhaltsam. Du kannst zum Mond fliegen, die Galaxis erforschen und die verschiedensten spannenden Abenteuer erleben: Du kannst jeden beliebigen Archetypus "ausprobieren", in jede Rolle schlüpfen, die du dir nur vorstellen kannst! Drittens begünstigt der Klartraumzustand numinose Erfahrungen - Begegnungen mit der Unfassbarkeit des Göttlichen. Ich habe im Klartraum mehrere Lichterfahrungen gehabt, die zu meiner beseligendsten Erlebnissen überhaupt gehört.
Montag, 19. September 2016
Gedanken am 20. September (Herbstmond)
Stephen La Berge ist eine der führenden Kapazitäten auf dem Gebiet des Klarträumens. Seine Bücher sind Klassiker über die Psyche, das Unterbewusste und das spirituelle Leben. Selbst wenn du dich gegenwärtig noch nicht dazu bereit fühlst, die Einübung des Klarträumens zu lernen, ist es wichtig, dass du das Phänomen als solches verstehst, da die meisten Leute gelegentlich Klarträume haben - ob sie sich anschliessend daran erinnern oder auch nicht. Die Situation, in der Anfänger am häufigsten "aufwachen", sind Alpträume. Vielleicht versuchst du wegzulaufen und kannst nicht. Plötzlich denkst du: "Moment mal, das muss ein Traum sein!" Und dann wachst du statt in deinem Bett in deinem Traum auf, und du könntest feststellen, dass du dessen Ablauf bis zu einem gewissen Grad beeinflussen kannst, dass dein Alptraum ein Ende findet, das die Angst in Erkenntnis verwandelt.
Gedanken am 12. September (Herbstmond)
Bevor wir in eine neue Wohnung einziehen, machen wir eine Bestandsaufnahme unserer Habseligkeiten und überlegen uns genau, was wir behalten und was wir ausmustern wollen. In gleicher Weise gilt es sorgfältig zu erwägen, was wir mitnehmen und was wir zurücklassen wollen, wenn wir eine neue Etappe unserer Seelenreise beginnen. Vor einigen Jahren bin ich vom Archetypus des Heilers in der des Mystikers eingezogen. Im Zuge des Übergangs habe ich einen Grossteil meiner "Schmerz- Orientiertheit" zurückgelassen und mich in zunehmendem Masse auf Freude, Dankbarkeit und Frieden konzentriert. An die Stelle trat als mein neues Rollenideal Dalai Lama. Als Folge dieser grundlegenden inneren Umwälzung änderte sich auch die Arbeit, die ich tat, und meine bisherige Einstellung zu Menschen und zum Leben.
Gedanken am 11. September (Herbstmond)
Es gibt Zeiten in unserem Leben, in denen wir die zu einem bestimmten Archetypus gehörige Seelensgeschichte abgeschlossen haben und allmählich in einen anderen Bereich unserer andauernden spirituellen Autobiographie eintreten. Die Übergangsphase ist eine Zeit der Ernte und der Läuterung. Wenn es uns nicht gelingt, diese Übergänge als solche zu erkennen, spielen wir immer wieder dieselbe Rolle von vorn, was zu einem Gefühl der Vergeblichkeit, der Langeweile, des "Festgefahrenseins", zu Depression oder Stress führen kann. Das das kosmische Rad sich vom Sommer zum Herbst weiterdreht und unsere Energie ihren jährlichen Anstieg in die dunklen Reiche des Unbewussten beginnt, wird es Zeit, uns zu fragen, ob unser Aufenthalt in unserem gegenwärtigen Archetypus abgeschlossen ist und, falls ja, in welchen neuen wir dabei sind einzutreten.
Gedanken am 10. September (Herbstmond)
Meine Frau und ich sassen eines Sommers unter einem Baum und unterhielten uns angeregt mit einen Freund. Mein Freund hatte damals einen Vollbart und ein recht wildes Aussehen. Ich sah ihm in die Augen und sagte: "Du bist ein starker Archetypus. Hast du eine Ahnung wovon? Wir lachten alle, aber die Frage traf den Nagel auf den Kopf. Unser Archetypus ist die Geschichte, die unsere Seele jeweils dabei ist zu bewältigen. Ein Archetypus ist so gut wie der andere, da, wie die alten Weisheitslehren vermuten lassen, jeder von uns nach und nach alle Archetypen durchleben muss.
Gedanken am 9. September (Herbstmond)
Während der letzten Woche wurdest du dazu ermutigt, in Bilder, Gefühle, Überzeugungen, Geschichten und Mythen einzutauchen, die sich in deinem persönlichen und dem kollektiven Unbewussten vermischen. Jetzt ist es an der Zeit, diese "Erinnerungen, Träume, Gedanken" (wie auch C. G. Jungs Autobiographie überschrieben ist) zu deiner eigenen spirituellen Autobiographie zusammenzuführen. Es gibt keine bessere Methode herauszufinden, wo man gegenwärtig ist, als sich zu vergegenwärtigen, wo man "gewesen" ist! Sehr oft ist die äussere Route, die wir nehmen, so interessant, dass wir uns nur undeutlich des Weges bewusst werden, den unsere Seele derweil innen zurücklegt.
Gedanken am 8. September (Herbstmond)
Wenn es uns gelungen ist, uns psychisch von unseren Eltern abzunabeln und ein eigenständiges Selbstgefühl zu entwickeln, haben wir uns als junge Erwachsene spezifische Antworten auf die grossen Fragen "Wer bin ich? Was ist der Sinn des Lebens? Gibt es einen Gott?" zurechtgelegt. Doch erst um die Mitte des Lebens gelangt unsere Spiritualität zu wirklicher Reife, und zwar durch die Erfahrung dessen, was der Theologe James Fowler das "Sakrament der Niederlage" nennt. Unser jugendlicher Idealismus zerbröckelt, und wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass es keine eindeutigen Antworten auf die Widersprüche des Lebens gibt und keine Möglichkeit, der Unbeständigkeit aller Dinge um den Leiden zu entrinnen. Wir erkennen, dass guten Menschen ebensohäufig Schlimmes widerfährt wie bösen - wenn nicht sogar noch häufiger. An diesem Punkt bricht das Gerüst äusserlicher Religiosität häufig zusammen, und wenn wir die sich daran anschliessende "dunkle Nacht der Seele" heil überstehen, kann ein tiefes spirituelles Verständnis hervorscheinen.
Dienstag, 6. September 2016
Gedanken am 7. September (Herbstmond)
In meiner Jugend hat das Buch "Die Pforte der Wahrnehmungen" von Huxley mir das innere Universum erschlossen. Ein anderer war der draufgänger Errol Flynn. Seine Biographie enthielt von den bezauberndsten Blüten romantischer Phantasie bis hin zu einem schroffen und oft brutalen Individualismus alles, was einen echten Abenteuerroman ausmacht. Ganz besonders faszinierte mich eine Textstelle, in der er in Einzelheiten schilderte, wie er auf einer australischen Ranch Schafböcke kastrierte. Errol Flynn mag nicht wie ein besonderes spirituelles Rollenbild aussehen, aber tatsächsich kommen wir mit dem Archetypus des Höheren Selbst erstmals durch Geschichten in Berührung, die von Helden, Weisen, Königen und Königinnen, Propheten und Rettern handeln - kurz, von Menschen, die in welcher Weise auch immer die Grenzen dessen erweitern, was wir für "normal" erachten.
Gedanken am 6. September (Herbstmond)
Die Adoleszenz, die Zeitspanne von der Pubertät bis zur Reife, bringt ein Aufblühen des spirituellen Glaubens, der aus einem Geflecht von persönlichen Erfahrungen und Archetypen des kollektiven Unbewussten hervorgeht. Wir überwinden die Schwarzmalerei der Kindheit, die aus Gott einen mächtigen, mitunter übelwollenden "Über- Opa" machte. Wenn unsere Eltern allerdings streng und autoritär sind, schaffen wir diesen "Adoleszenzsprung" möglicherweise erst in einer viel späteren Phase unseres Lebens, wenn es uns endlich gelingt, die früheren Verletzungen unserer Selbstachtung zu heilen. Aber wenn alles gut geht und wir ein zuversichtliches Selbstwertgefühl entwickelt haben, das bereit ist, sich von den Eltern abzunabeln, besteht die spirituelle Aufgabe der Adoleszenz darin, Rollenmodelle zu finden, die unsere bisherigen numinosen Erfahrungen bestätigen und erweitern.
Gedanken am 5. September (Herbstmond)
Kinder leben in einer Welt der Feen und Dämonen, der Helden und der Schurken - einer Welt, in der es nur Schwarz und Weiss gibt, ohne alle Zwischentöne. Als Kinder ängstigen wir uns leicht und lassen uns ebensoleicht wieder trösten und beruhigen. Die Vorstellung, die wir vom Universum haben, sind in der Regel überaus plastisch und enthalten nicht nur Dinge, die wir aus eigener Anschauung kennen, sondern auch eine Unzahl von Gestalten und Motiven, die seit Anbeginn der Zeit die Mythen, Märchen und religiöse Sagen der Welt bevölkern. Sie sind Teil des allen Menschen gemeinsamen kollektiven Unterbewussten, des Sediments von Seelenerinnerungen, dem auch unsere persönlichen Geschichten entspringen.
Gedanken am 4. September (Herbstmond)
Ich erinnere mich an ein Märchen über eine kranke Prinzessin. Die Hofärzte konnten keine Kur für ihre Leiden finden, aber zuletzt kam der Oberzeremonienmeister, dessen Stimme voller Magie war, auf die Lösung: Die Prinzessin muss den Mond haben. Aber obwohl der Mond sehr nah zu sein schien, reichte selbst die längste Leiter nicht an ihn heran. Schliesslich liess der Zeremonienmeister für die Prinzessin einen Silbermond anfertigen, und sie wurde wieder gesund. Eine Zeitlang versuchte er, sie nachts vom Fenster fernzuhalten, damit sie nicht merkt, dass es nicht der echte Mond war, den sie da an einem Kettchen am Hals trug. Eines Nachts aber erblickte sie doch das glänzende Gestirn am Himmel: Da freute sie sich über die Massen, dass Gott ein neues hatte nachwachsen lassen, damit sich alle Menschen daran erfreuen könnten.
Freitag, 2. September 2016
Gedanken am 3. September (Herbstmond)
Im Jahre 1937 hielt C. G. Jung in Yale eine später berühmt gewordene Vorlesung, in der er seine Zuhörer aufforderte, die starren Begriffe und Grenzen organisierter Religionen zu überschreiten und zu einer unmittelbaren Begegnung mit der religiösen Erfahrung vorzustossen. Mein erster Tag in der Hebräischen Schule stellte eine solche Begegnung dar. Von dem, was die Lehrer sagten, weiss ich kein einziges Wort mehr, aber ich erinnere mich deutlich daran, wie ich von der Form der hebräischen Buchstaben gepackt und - jenseits allen bewussten Wissens - in eine Begegnung mit dem Geheimnis entrückt wurde, die mir die numinose Gegenwart Gottes offenbarte und die Verheissung schenkte, dass das Leben voll unaussprechlicher Wunder ist.
Gedanken am 2. September (Herbstmond)
C. G. Jung unterschied zwischen einem persönlichen und einem kollektiven Unbewussten. Das persönliche Unbewusste wimmelt von - hellen wie dunklen - unterdrückten und vergessenen Gefühlen, Bildern und Erinnerungen aus unserer Vergangenheit. Dieser brodelnde Topf voll psychischer Energie ist der verborgene Lenker und "Motivator" der meisten unserer Handlungen. Das kollektive Unbewusste wohnt jedem Menschen inne, unabhängig von seinen vergangenen persönlichen Erfahrungen. Dieses mit Engeln und Dämonen, Helden und Hitlern bevölkertes Reservoir archetypischer Geschichten ist wie ein eingebautes Navigationsprogramm für den Heimweg zu Gott. Die Mythen, religiösen Anschauungen und Märchen aller Völker gehen aus diesen kollektiven Archetypen hervor ebenso wie viele unserer Träume, die uns auf unsere jeweilige Rolle im grossen kosmischen Drama aufmerksam machen.
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